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Kategorie: Kunst, Musik und Kultur > Kompetenzzentrum für Museologie und Kunst
Datum & Land: 28/02/2011, De.
Wörter: 123
Zeitkapsel
Behältnis zur Aufbewahrung von Schriftstücken/Informationen oder Gegenständen für einen künftigen Gebrauch. Stiftung eines künftigen, also erst in (un)bestimmter Zukunft virulent werdenden Andenkens, z. B. an sich selbst. Den Ursprung haben Zeitkapseln wohl in verschiedenen Praktiken, Gegenstände für künftige Generationen gut verschlossen und geschützt aufzubewahren, z.B. in Kirchturmspitzen oder beGrundsteinlegungen. Die Individualisierung der Zeitkapsel führt zu Bastelanleitungen im Internet oder zu Firmen bzw. Vereinen, die die Aufbewahrung von Z. übernehmen. Individuell vom Wunsch getragen, eine Spur zu hinterlassen, sind Z. auch zu einer von Künstlern aufgegriffenen Praxis geworden. Das prominenteste Beispiel sind die time capsules Andy Warhols (www.warhol.org/tc21). Siehe auch Andenken Spur
Xenologie
Wo der Dinghimmel selbst zum Leichenschauhaus wird, dort liegt der xenologische Kern des Museums offen. Das tote Exponat übermittelt die Zentralbotschaft des Museums: Es gibt unauflösbar Fremdes in der Welt. Peter Sloterdijk siehe auch Fremdes
Weltausstellung
Weltausstellungen sind die Wallfahrtsstätten zum Fetisch Ware. ... Den Weltausstellungen gehen nationale Ausstellungen der Industrie vorher, von denen die erste 1798 auf dem Marsfeld stattfindet. Sie geht aus dem Wunsch hervor, “die Arbeiterklasse zu amüsieren und wird für dieselben ein Fest der Emanzipation.” Der Rahmen der Vergnügungsindustrie hat sich noch nicht gebildet. Das Volksfest stellt ihn. ... Die Weltausstellungen verklären den Tauschwert der Waren. Sie schaffen einen Rahmen, in dem ihr Gebrauchswert zurücktritt. Sie eröffnen eine Phantasmagorie, in die der Mensch eintritt, um sich zerstreuen zu lassen. Walter Benjamin: Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts, hier zit. n.: Das Passagen-Werk. Frankfurt/M. 1983 (2 Bde), I, S.50
Weisse Zelle
Die ideale Galerie hält vom Kunstwerk alle Hinweise fern, welche die Tatsache, daß es Kunst ist, stören könnten. Sie schirmt das Werk von allem ab, was seiner Selbstbestimmung hinderlich in den Weg tritt. So wird dieser Kultraum der Ästhetik zu einer „Ewigkeitsauslage“, in der die Kunst scheinbar „unberührt von der Zeit und ihren Wechselfällen“ präsent ist.
Vitrine
Außer Theaterbühnen gibt es noch weitere Orte, wo man die Erzählungen der Toten hören kann: z. B. in einem Völkerkundemuseum. Im Hamburger Völkerkundemuseum stehen viele transparente Särge nebeneinander, in denen sich jeweils eine tote Figur befindet. Jede Figur verkörpert ein Volk. Ein stehender Sarg erinnert an eine Telefonzelle, weil die Figuren darin aussehen, als wären sie im Begriff zu erzählen. Deshalb müssen die Särge wahrscheinlich stehen, anstatt wie üblich zu liegen. Die Figuren in den Särgen - die aus Kunststoff hergestellten Puppen - machen einen Zusammenhang zwischen dem Tod und den Puppen deutlich: Die als Puppen dargestellten Völker sind alle einmal in der Geschichte von anderen kulturell oder wirtschaftlich erobert und zum Teil vernichtet worden. Wie auch in anderen Museen wird hier ein Machtverhältnis sichtbar, daß nämlich das Dargestellte immer zugleich das Eroberte ist. In einem zoologischen Museum z. B. wird ein ausgestopfter Wolf ausgestellt, während umgekehrt kein Wolf einen Menschen ausstellen kann. In einem historischen Museum herrscht auch ein hierarchisches Verhältnis zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Schneewittchen im Tuppersarg Solange, wie ein Fremder bedrohlich erscheint, versucht man, ihn zu vernichten. Wenn er tot ist, stellt man ihn als Puppe liebevoll in einem Museum dar. Man kann dort die Puppe betrachten, die Erklärung über seine Lebensart lesen, die Fotos von seinem Land sehen, aber man versteht etwas nicht. Ein Schleier trennt den Museumsbesucher von der toten Puppe, so daß er wenig erfahren kann. Man erfährt viel mehr, wenn man versucht, ein ausgedachtes Volk zu beschreiben. Wie soll ihr Leben aussehen? Wie funktioniert ihre Sprache? Wie sieht ein ganz fremdes Sozia...
Vergegenwärtigung
Die wahre Methode, die Dinge sich gegenwärtig zu machen, ist, sie in unserem Raum (nicht uns in ihrem) vorzustellen (...) Es ist auch der Anblick großer vergangener Dinge - Kathedrale von Chartres, Tempel von Paestum - in Wahrheit (wenn er nämlich glückt) ein: sie in unserm Raum empfangen. Nicht wir versetzen uns in sie, sie treten in unser Leben. Die 'wahre Methode' ist demnach als Methode der Aneignung der Einfühlung des Historismus entgegengesetzt: ihn trifft der Vorwurf des falschen Bewußtseins, nicht das imaginäre Museum. das sich der Sammler mit dem 'Blick des großen Physiognomikers' erbaut. Walter Benjamin
Vermittlung als Reflexion des Museums
Die Museumsführung wird direkt oder auf Umwegen von der Museumseinrichtung, der Institution veranlasst, sie wird gewährt. Und von der Institution her sind weiterhin die personalen, medialen und organisatorischen Einrichtungen bestimmt. Führungen sind deshalb weiter in aller Regel als Initiativen der musealen Institution anzusehen, sie stehen zu anderen Aktivitäten, etwa auch den Ausstellungen, als weiteres museales Hilfsmedium. Das Museum ist es, das Modelle der Reflexion und Analyse in einer besonders angeordneten Rekursionsfigur verantwortet, die Ansätze billigt und sich als ein relativ individuales personbestimmtes zusammengesetztes Kommunikationsmedium präsentiert, für das gerade diskursive Formen der Öffentlichkeit von Belang sind. In den Bedingtheiten, aus denen heraus stark personal motivierte Museumspräsentation entsteht und sich werkhaft der Öffentlichkeit inszeniert, wird die Museumsführung im einzelnen gewiss auch aus didaktisch-kompensatorischen Ansätzen heraus gestaltet; gleichermaßen besteht die Möglichkeit, institutionsrekursive Auffassungen zu kultivieren. Mit einer nicht zu vernachlässigenden merkwürdigen Reflexivität. Wie andere kulturelle Werke und personale Konstrukte braucht die Museumsarbeit und besonders die Museumsausstellung Reflexion und Rezension; da ist es eine auffällige Merkwürdigkeit, in welchem Ausmaß sich -auch mit der Führung - die Diskussionen um herausgearbeitete Darstellbarkeiten der Kultur in die produzierende Einrichtung selbst hinein verlagern, wo sie dazu beitragen, die Institution selbst, auch als Kulturmotor, als etwas ganz und gar konstruiertes, unselbstverständliches sehen zu können. Aber der Medienkomplex Museum verträgt reflexive Betrachtung und es scheint, als ob er kaum no...
Vermittlung
Die Rolle der Museen als Vermittler zum Kunstwerk ist für uns so bedeutend, daß wir uns kaum vorstellen können, sie existiere nicht, sie habe sogar immer und überall dort nicht existiert, wo-hin von moderner europäischer Kultur keine Kenntnis gedrungen ist; ebenso schwer vorzustellen ist auch, daß die Museen diese Rol-le beuns erst seit kaum zweihundert Jahren spielen. Das 19. Jahr-hundert hat von ihnen gelebt; wir leben noch von ihnen und ver-gessen dabeganz, daß die Museen dem Beschauer eine vollkom-men neue Beziehung zum Kunstwerk aufgezwungen haben. André Malraux: Das imaginäre Museum. Franfurt, New York 1987, S.7 siehe auchAnimation
Urbild
siehe auchBild
Utensil
Für einen Gebrauch bestimmter Gegenstand, Gerät
Unrat
Auf geradezu paradigmatische Weise verknüpft sich in der Biografie des Laienethnologen und Militärs John Gregory Bourke (1846-1896) die Obsession des Sammelns mit dem Interesse am Unrat. Eines seiner ebenso zahllosen wie umfangreichen Werke ist ein Skatalog, ein Lexikon, ein alphabetisches Verzeichnis all jener Riten und Praktiken aller Völker im Umgang mit Abfall, Kot, Müll, Unrat. Bourke zog in diesem Werk gleichsam einen Grenzzaun um alles Fremde, indem er Kot und Ekel als Kriterium der Unterscheidung, als Index der Abweichung von eigenen Verhaltensweisen, in einer endlosen Liste zusammefasste. Diese Liste beruhte im wesentlichen aus dem Exzerpieren einschlägiger Literatur, aber auch auf eigenen Erfahrungen, wie jener, die als auslösend für seine Beschäftigung mit dem Thema gilt, als er einer Zeremonie der Medizinmänner der Nehue-Cue in Neu-Mexiko beiwohnte. Die literweise Urin trinkenden Indios erregten den besonderen Ekel Bourkes. Stephen Greenblatt vermutet in der Zeremonie eine Parodie westlicher (katholischer) Riten, die auch dazu gedient hätten, auch Bourke selbst lächerlich zu machen. Stephen Greenblatt: Schmutzige Riten, in:ders.: Schmutzige Riten. Betrachtungen zwischen Weltbildern. Frankfurt 1995, S.31ff.
Unordnung der Dinge
Ich flüchte in den hölzernen Industriepalast, ich gehe auf und ab, rechts und links, ich versuche stehen zu bleiben, aber wenn mein Auge auch wirklich auf einem Gegenstande haften bleibt, irrt meine Nase in die Ferne, und unstät und flüchtig, wandere ich, das Kainszeichen des Laien auf der Stirne, von der ,Imperial-Zuckerrübe mit rothem Anfluge' zu den ,ungewaschenen Wollmustern', von dem ,Hirsch, von Wölfen verfolgt', zu den ,weißen Fisolen', von den 'Theezwiebacken' zu den ,Timotheus-Grassamen'; von dem ,k.k. pr. regulirbaren Maschinen-Selbstschmierer ohne Docht' zu der ,verbesserten Neu-England-Handmaschine mit Stepp- und Kettenstich'; von ,Gemperle's Feigenkaffee' zu den ,Bauchbinden'; von der ,Coffir-Maschine' zu der ,Tätowirzange für Schafe'. Daniel Spitzer, Neue Freie Presse 1866
Universalmuseum
Allgemein gesehen ist die Institution und der Ort Museum eine der letzten Möglichkeiten, die Welt als eine Welt von Beziehungen, als komplexen Zusammenhang visuell zu erleben. Eine wichtige Aufgabe innerhalb der Arbeit der Museen liegt meiner Ansicht nach darin, die Spezialisierung und Verselbständigung der einzelnen Wissens- und Arbeitsgebiete nicht mitzumachen, sondern durch In-Beziehung-Setzen von Objekten verschiedener Bereiche eine Zusammenschau verschiedener Gebiete zu ermöglichen (Arbeit, Natur, Politik, Kunst, Technik u. a. m.). Peter Schirmbeck
Trophäe
Tropaion (grch.) ist das Feldzeichen. Eine gegnerische Truppe zu besiegen hieß, ihr das Feldzeichen zu rauben. Denn das Feldzeichen markierte die Ordnungen, durch die einzelne Kämpfer zu einer Truppe wurden und die Truppen zu einem Heer. Beden Triumphzügen der alten Römer wurden die Feldzeichen der Gegner und die der eigenen Truppe in besonderer Weise der Wahrnehmung eröffnet:Als Trophäe, also als enteignetes Feldzeichen und als Apotropaion, als durch bloße symbolische Repräsentation bereits wirksame Waffe.Trophäen erfolgreicher Erobererzüge durch Museen, Galerien, Kaufhäuser bringen wir in Gestalt von Kunstwerken, stilvollen Gebrauchsgegenständen und Designschnäppchen mit nach Hause. Den apotropäischen Gebrauch von Objekten trainieren wir an Regenschirmen, die wir mit uns führen, weil es dann garantiert nicht regnen wird oder an Museumsshopobjekten als symbolischen Repäsentanten von lauter Unmöglichkeiten und Unsinnigkeiten - verlange nicht vom Künstler, was Du nicht selber zu verstehen in der Lage bist; aber bestehe nicht auf dem, was Du weißt, denn dann brauchtest Du die Künstler und Werke gar nicht erst zu betrachten.
Tradition
Beder Gründung des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich erkannte man schon früh das Paradox, das darin liegt, wenn ein Gegenstand zur Landesgeschichte gerechnet wird, der älter ist als das Land selbst oder der in einem Gebiet gefunden wurde, das damals noch nicht zu diesem Lande gehörte. Ein bedeutendes Objekt des Schweizerischen Landesmuseums ist der Schild von Seedorf: Seedorf liegt zwar in der Schweiz, aber der Träger dieses Schildes hatte mit der Schweiz nichts zu tun, repräsentiert eine Tradition, mit der die Schweiz in der Gegend von Seedorf dann allenfalls aufräumte. Was sagt der Schild von Seedorf dem Besucher des Schweizerischen Landesmuseums? Lucius Burckhardt: Wie kommt der Mül ins Museum?
Tourismus
Tourismus will dem Subjekt die bewußte Wahrnehmung der eigenen Sinne und Triebe vermitteln, denn das ist seine Ware, wobedie Ökonomie der Sache nach die konsumkanalisierte Rezeptivität und das Auge betont, weil die Dinge am längsten ausbeutbar sind, die nur fürs Auge sind, denn das Auge beschädigt die Landschaft weniger als die Moonboots - engste Parallele zum Museum. Wolfgang Zacharias, 1987
Theoretische Objekte
Um den Umsatz zu steigern, haben zahlreiche Museumsshops ihre Angebotspalette dem Tourismuskitsch geöffnet. Diese Läden sind nun eher mit flacher Schmunzelware bestückt als mit Artikeln, die dem kulturellen Auftrag der Museen, ästhetisch zu erziehen und historisch zu bilden, gerecht werden. Deshalb starten der Bertelsmann Verlag rtv und die Leitung der Art Frankfurt gemeinsam mit Bazon Brock und Ulrich Giersch eine Initiative für die Entwicklung neuer Museumsshop-Objekte. Die von Künstlern, Designern und Gestaltern aller Sparten entworfenen Prototypen werden an Hersteller und Museumsshops vermittelt. Zu den neuesten Prototypen zählt auch der von dem Berliner Künstler Hans-Martin Sewcz entworfene Eierbecher in Gestalt eines kleinen Reichstagsmodells. Anhand dieses Objektes können Architekturinteressierte jeden morgen über die aktuelle Streitfrage - Reichstagskuppel lieber rund oder eiförmig schlank -, aber auch über das Phänomen der Kuppel überhaupt-, gemeinsam beim Frühstück mit ihren Familienangehörigen diskutieren. Der Benutzer des Eierbechers greift mit dem Abschlagen des Eies spaßhaft und mehr oder weniger bewußt in das Modell des (künftigen) deutschen Parlamentssitzes ein. Bazon Brock
Thesaurus
Thesauros ist die antike Bezeichnung für ein Schatzhaus; Schatztempel, also den Aufbewahrungsort für Votivgaben. Unter einem Thesaurus versteht man heute eine (möglichst in einem Gebiet vollständige, sachlogisch geordnete)Wissenssammlung, einen Wissensspeicher. Daraus abgeleitet: treasure; Tresor (Schatz; und sicheres Behältnis für Geld und andere Werte).Thesaurieren, einen Schatz bilden, bedeutet v.a. in der Wirtschaft erwirtschafteten Gewinne nicht auszugegeben oder auszuschütten. siehe auchSchatz;SchatzhausSpeicher
Tempel
Ein Tempel ist zunächst keine bloßer Typ von Architektur, sondern leitet sich von einem ursprungsetzenden heiligen Akt her, der einen heiligen Raum, und damit eine Unterscheidung von Heiligem und Profanem trifft. Die Etymologie von templum sucht die Wurzel des Wortes einmal in der die antike Stadt-und damit Gemeinschaftsgründung grundlegenden ersten Tätigkeit des Auguren (tuer= schauen, starren), der den Platz der Gründung wählt und bestimmt. Ein andermal in der auf diese Gründungsrituale bezogene Definition und Abgrenzung eines Stück Landes, im Griechischen bedeutet temenos: heiliger Bezirk (von temno: schneiden, verwunden). Dass dieser anlässlich von Stadt- und Gemeinschaftsgründungen notwendige Unterscheidung und Trennung von Heiligem und Profanem als Ideenkreis in der Geschichte des Museums ein manchmal bewusst, manchmal unbewusst tradiertes Strukturmerkmal ist, dafür gibt es viele Indizien, nicht zuletzt auch in der Geschichte der Museumsarchitektur. Für lange Zeit und auch heute noch ist der 'Tempel', oder die 'Tempelfassade' - der vom Dreiecksgiebel bekrönte Säulenportikus -, die archetypische Chiffre für 'Museum', also auch für das Museum als 'heiligem Ort'. Gottfried Fliedl
staunen
Unter Staunen verstehe ich die Macht des ausgestellten Objekts, den Betrachter aus seiner Bahn zu werfen, ihm ein markantes Gefühl von Einzigartigkeit zu vermitteln, eine Ergriffenheit an ihm zu provozieren. Stephen Greenblatt
Texte
...die westliche Tradition ist von einer sukzessiven Überwindung der Bilder durch Texte geprägt, die in der Selbstlegitimation der Moderne durch die Ausdifferenzierung in die Systeme der Wissenschaft und der Ästhetik einen modus vivendfindet...Texte heben unter didaktischem Zwang die Aufgabe, die Magie des Objekts zu bekämpfen. Sie tun dies durch Simulation. Texte simulieren, daß es eine Identität von Objekt und Sprache gibt...Sprachlicher Kontext verführt zur Reduktion des visuellen Erfahrungspotentials...Das konkurrenzhafte Verhalten von Texten und Bildern (oder Objekten) in Ausstellungen und Museen kann nicht zugunsten des einen oder des anderen entschieden werden. Es deutet bloß an, daß Ausstellen stets als Kompromiss zu begreifen ist. Siegfried Mattl
Speicher
Speicher leitet sich ab vom lateinischen spicarium. Spica ist die ƒhre. Ein Speicher ist also das Vorratsbehältnis für Korn. Der Speicher dient demnach der Vorratshaltung. Der Speicher dient der Sicherstellung der Ernährung für eine Zeit, wo nichts wächst. Speichern: Aufnehmen und Auscheiden findet ontogenetisch ihr auf den menschlichen Körper bezogenes Vorbild in der Aufnahme von Nahrung und der Ausscheidung der Reste. Sammeln, Speichern, hat es mit einem aufgeschobenen Verdauungsprozeß zu tun, ist auch eine Regression, Wunsch nach Bemächtigung, nach Ergänzung desen, was fehlt, Vermeidung von Leere, unerfüllbare Sehnsucht nach dauerhafter Schließung der Öffnung, nach dem Ganzen. Die Vorratshaltung beugt gegen den Tod im Winter vor. Schon das ist eine große Leistung: Verzicht auf die Unmittelbarkeit der Befriedigung. Ein geringeres Maß an Befriedigung im Sommer unter Umständen in Kauf nehmen, um den Winter zu überleben. Steigerung: Gleichmäßiges Überleben. Schon dazu mußten die gesammelten und aufgehobenen Nahrungsmittel behandelt werden. Sie wurden in eine Art kon servierenden Schlaf überführt, um dann zur Zeit geweckt aufgeweckt zu werden (Weckgläser?). Mit der allmählichen Ablösung des Lebens überhaupt von den alltäglichen wie jährlichen Naturzyklen geht dann eine Sammlertätigkeit und Vorratshaltung einher, die beweitem nicht mehr auf die Nahrungsmittel beschränkt bleibt. Der ausreichende Vorrat an Geld, Kredit, Kapital, Produktivkraft erst ermöglicht die Existenz, verleiht so etwas wie Identität. siehe auchSchatz; Schatzhaus Thesaurus
Spur
Mich interessiert an diesen Gegenständen die an ihnen ablesbare Haltung der einstigen Benutzer, die nicht auf Konsum ausgerichtet war, sondern auf Wiederverwendung und Gebrauch. Diese Haltung wird besonders in der sorgfältigen Art der Aufbewahrung, den Umhüllungen, den Einwicklungen, den Verschließungen sichtbar. Die Erlebnsiwelt des Museums Sophienblatt ist so für die Besucher eine andere als in den konventionellen Museen. Sie unterscheidet sich dadurch, daß alle Räume nicht inszeniert sind, sondern in ihrer vordem belebten Eigenart erhalten bleiben.†` - 'Das Tote lebt. Das Museum Sophienblatt kann dadurch eine Funktion übernehmen, die in unserer Gesellschaft beispielhaft dafür sein kann, Menschliches zu erleben. [...] Es geht heute darum, menschliche Spuren und Geschichte zu erhalten [...]. Raffael Rheinsberg
Simulacrum
Trugbild; Blendwerk; Schein; Fassade. Vom Lateinischen simulacrum = Bild, Abbild; Schatten, Gespenst; Statue, Götterbild.
Souvenir
Ein - meist gekaufter oder gefundener, oft in Massenproduktion hergestellter - Gegenstand, den man als Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis, einen Ort oder eine Person aufbewahrt.
Schaulust
Ich bin von der Idee ausgegangen, daß die Menschen neugierige Tiere sind. Erweckt man die Schaulust, so erweckt man ihre Lust nach Bildung. Fritz Saxl
Schatz; Schatzhaus
Den Unsterblichen weihte man Zeug als Tempelgüter, den Toten die die Sterblichkeit hinter sich hatten, gab man Zeug als Grabbeilage mit: Nahrung und Kleider, Geräte, Waffen und Tauschmittel Dinge die irgendwie am Vermögen des Schatzes teilnehmen und durch diese Teilnahme ein fernes oder heimgegangenes Begehren wieder erwecken sollen, nicht aber die Not eines Bedürfnisses befriedigen. Mehr noch erfüllten diesen Zweck solche Kleinodien, die jenseits jedes Nutzens nur ausgestellt werden, exponiert nicht um durch den Blick auf sie ein Verlangen, sondern um ein Begehren des Erblickens selbst zu wecken: das Begehren nach dem Unsichtbaren. Das ursprüngliche Schatzhaus ist ein Geisterhaus, das man aufspaltete in das Gotteshaus und in das Totenhaus mit ihren Schatzkammern ,Thesaurus und Grab' zweOrte, die jenseits vom Leben zum Tode vor den Schicksalen der Sterblichen und ihrer Gier zu sichern waren. Zunächst durch das Tabu, Tempelschätze durch eine Privatisierung der Öffentlichkeit zu entziehen, und durch das Tabu, die verborgenen Totenschätze durch Ausgrabung ans Licht zu bringen und zu enthüllen. Auf diese Weise verteilten Tempel und Grab die unentscheidbar zwiespältige Wahrheit des Schatzes auf zweentgegengesetzte Stätten, indem man ihren imaginären Ort jenseits der Sterblichen aufspaltete: auf den offenen Schauplatz der Offenbarung und auf das verschlossene, verschwiegene Gebiet der Mysterien. Zwischen diesen Stätten zirkulieren die unheimlichen Dämonen des Schatzes. Hans-Dieter Bahr
Scenografie
Scenografie ist ... das Handwerk, dreidimensionale Räume so zu inszenieren, so einzurichten, dass Inhalte verstärkt durch gestalterische Mittel deutlicher und prägnanter in ihrer Wirkung und damit in ihrer intendierten Aussage werden. Martin Roth: Scenographie. Zur Entstehung von neuen Bildwelten im Themenpark der Expo 2000, in: Museumskunde 66 (2001), S.25
Sammlung
Eine Sammlung ist jede Zusammenstellung natürlicher oder künstlicher Gegenstände, die zeitweise oder endgültig aus dem Kreislauf ökonomischer Aktivitäten herausgehalten werden, und zwar an einem abgeschlossenen, eigens zu diesem Zweck eingerichteten Ort, an dem die Gegenstände ausgestellt werden und angesehen werden können. K. Pomian
sammeln
Hochwerter Herr, My Lord hat mich beauftragt, Ew. Gnaden wissen zu lassen, daß es seiner Hoheit gefällt, so ihr in seinem Namen mit allen Kaufleuten von allen Orten, insonderheit aber von Virginien & Bermuden & Neufundländen, handelseins werdet, daß sie, dieweil sie in jenen Teilen, Acht haben, Seiner Hoheit allerlewilde Tiere & Federvieh und Vögel beizubringen, sofern lebendig, oder, sofern nicht, Köpfe, Hörner, Schnäbel, Klauen, Bälge, Gefieder...eines Ellofanten Kopf mit gar gewaltigen Zähnen, darinnen eines Flußpferdes Kopf der größten Art, die zu erlangen eines Seebullen mit Hörnern, Aller Art große Schlangen und Häute von Schlangen & insonderheit von jener Art, die einen Kamm auf ihrem Kopf hat, gleich einem Gockelhahn, Aller Art glänzende Steine oder von allerleabsonderlicher Gestalt ...Jedwedes Ding, das absonderlich. Ein Brief Ashmoles an den Marineminister Edward Nichols. Zit. N. Weschler
Rubens-Syndrom
Eine Umfrage des römischen Istituto d'Psicoanalitica stellte 20% von Museumsbesuchern das sogenannte `Rubens-Syndrom' fest: sie erleben das Museum als Ort für `erotische Abenteuer', öfter noch als eine Disco oder einen Konzertsaal, laut Statistik nur noch übertroffen vom Meeresstrand und dem Eisenbahncoupé. siehe auch Museumsmüdigkeit.
Repräsentation
`Museen spiegeln zirkulierende Geschichtsbilder und Werte der gesellschaftlichen Eliten wieder, die sich ihrer als Repräsentationsorte bedienen. Verschleiert wird dies jedoch, indem Museen gleichzeitig als der gesamten Gesellschaft verpflichtete Orte des 'kulturellen Erbes' gelten. Auf einen solchen 'demokratischen Anspruch' berufen sich verschiedene marginalisierte Gruppen, wenn sie ihren Einschluß in die Repräsentation einfordern und in diesem 'magischen' Ort repräsentiert sein wollen. Zwar haftet den Museen das Image der wissenschaftlich-rationalen Institution an, doch handelt es sich dabevielmehr um Orte der Selbstbespiegelung und der mythisch-rituellen Selbstvergewisserung von sozialen Gruppen.' Hauer Gerlinde, Roswitha Muttenthaler, Anna Schober, Regina Wonisch: Das inszenierte Geschlecht. Feministische Strategien im Museum. Wien, Köln, Weimar 1997, S.17
Resonanz
Unter Resonanz verstehe ich die Macht des ausgestellten Objekts, über seine formalen Grenzen hinaus in eine umfassendere Welt hineinzuwirken und im Betrachter jene komplexen, dynamischen Kulturkräfte heraufzubeschwören, denen es ursprünglich entstammt und als deren - sees metaphorischer oder bloß metonymischer - Repräsentant es vom Betrachter angesehen werden kann. Stephen Greenblatt: Resonanz und Staunen, in: ders.: Schmutzige Riten, S.15. Frankfurt 1995 siehe auch staunen
Quatremere de Quincy
siehe auchmuseal
Reiseandenken
siehe auch Souvenir
Restaurierung
Im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg wusch ich als studentischer Anfänger mit dem Kustoden Dr. Jedding für eine Neuaufstellung der Porzellanabteilung mehrtägig einen Berg Geschirr ab. Sehr hübsches. Wir unterhielten uns auch. Dabefiel mir eine Tasse runter. Die Uhr hielt an. Wir zogen die Schuhe aus, der Kustode ging einen Karton besorgen. Alles, was nach Scherbe oder Krümel auf dem Boden aussah, wurde gesucht und eingesammelt. Die Stücke gingen zum Restaurator; Extraarbeit; sie gehörten zu einem sonst noch vielteilig vorhandenen Service von unvermutet flammend weißer und oranger Tönung, es soll sich im Besitz Friedrichs Ibefunden haben. Dann setzten sich Abwasch und Unterhaltung fort. Frank Jürgensen
Projektmanagement
DAS Projektmanagement gibt es allerdings nicht. Jedes Projekt hat seine Spezifika und vor allem seine eigenen Fallgruben. Was aber ist die Spezifik der Projektmanagementaufgaben im Museumsbereich? Wesentlich ist die oft hohe Komplexität der Projekte, welche sich durch das Überschneiden verschiedener `Organisationskulturen' ergibt. Insbesondere der Zusammenprall staatlicher und nicht-staatlicher Organisationen, kulturell und technisch orientierter Organisationen und Personen, von Profit- und Non-Profit-Organisationen und anderer `Kulturen' und Zielen/Orientierungen verlangt von Projekten in diesem Bereich ein bewußtes und systematisches Management. Samy Bill
Projekt
Um diesen Begriff...kreist des Kulturprofessionellen Leben und Streben. Er gibt seiner Energie die Stoßrichtung, strukturiert sein Dasein und füllt, unter idealen Gegebenheiten, sein Säckel. Längst ist im Jargon die wörtliche Übersetzung als 'Plan' oder 'Vorhaben' in den Hintergrund getreten zugunsten des Einsatzes als verbaler Joker für Kunstpräsentation, Symposien, Forschungen, Inszenierungen - womit Kulturprofis eben ihre Zeit verbringen. Stella Rollig: Mit jeder Idee beNull beginnen, Der Standard, November 1983 siehe auchProjektmachereProjektmanagement
Pantheon
Im 18. Jahrhundert beginnt sich die Vorstellung von dem einer Person gestifteten Denkmal auf den kollektiven Kult großer Männer, die dem Bürgertum angehörten, zu beziehen. Diese Form der Gedächtnisstif-tung geht mit der Ikonologie des antik-römischen Pantheons und seiner Memorialfunktion eine höchst erfolgreiche Verbindung ein. Die Geschichte des römischen Kultbaus spiegelt die Transformation von der antiken Allgötter-Verehrung über den christlichen Allerheiligen-Kult wieder bis zum, von ihm selber initiierten, profanen Gedächtniskult durch die 1520 erfolgte Grabstiftung für Raffael. Sakrales - das Lesen der Totenmesse am Todestag des Künstlers -, und Profanes - der Künstler- und Geniekult -, mischen sich. Toten-, Reliquien- und Gedächtniskult - schon Platon benutzt die Metapher der Höhle, um von der Wiedererinnerung der unsterblichen Seelen zu sprechen -, sind ab da verbunden und gehen mit der architektonischen Würdeform des höhlenartigen Halbkugelraumes eine unauflösliche Verbindung ein. Gottfried Fliedl
Original
Nachdem man diese Reproduktion (von Leonardos Felsgrottenmadonna) gesehen hat, kann man zur Nationalgalerie gehen, um das Original anzuschauen und zu entdecken, was der Reproduktion fehlt. Oder man kann die Qualität der Reproduktion vergessen und sich angesichts des Originals schlicht klarmachen, daß es sich um ein berühmtes Gemälde handelt, von dem man irgendwo eine Reproduktion gesehen hat. Doch in jedem Fall beruht die Einzigartigkeit des Originals nun darauf, daß es das Original einer Reproduktion ist. Nicht mehr länger ergreift uns das, was sein Bild zeigt, als einzigartig; seine vorrangige Bedeutung liegt nicht länger in dem, was es sagt, sondern in dem, was es ist. John Berger
Objekt
Für die Psychoanalyse ist das Objekt, an dem der Trieb sein Ziel der Befriedigung zu erreichen sucht, nicht fest mit ihm verbunden, sondern nur lose und austauschbar mit ihm verknüpft. Die Genese der Objekte (immer nur mythologisch zu erfassen) schreibt sich ein in einen ursprünglichen Verlust: in die Trennung vom fötalen Versorgungsorganismus. Was so dem kleinen Menschen zum Objekt wird, an dem es Befriedigung sucht, steht ein für etwas, das früher zu ihm gehörte: für einen verlorengegangenen Teil seiner selbst. Daher ist immer ein Stück Identifizierung mit dem Objekt im Spiel, was die kontroverse Diskussion von Subjekt-Objektbeziehung, von internen Objekten, guten und bösen, Partialobjekten und gar genitalen Objekten so kompliziert und schwer verständlich macht. Ein Beitrag zur Lösung dieses Problems ist zu finden in Stasiakten, wo es immer wieder heißt: `ab soundsoviel Uhr Ruhe im Objekt'. Diese schließlich gefundene Ruhe währt ein paar Stunden, dann setzt die Bewegung (der nie zu stillende Trieb) wieder ein. Ob ein Objekt das `richtige' oder das `falsche' ist, spielt keine Rolle, solange es ab und zu etwas Ruhe schenkt, ein wenig Befriedigung.
Nationalmuseum
Die Summe der kollektiven Bedeutungen der Dinge soll also die Nationalgeschichte ergeben. Zweifellos ist diese Materie gefährlich; aus dem Zusammenhang kann eine Logik entstehen, die im besten Falle eine künstliche Logik, im schlimmsten eine Scheinlogik ist. Die Geschichte erscheint als eine `nicht zufällige' Abfolge, die Aufreihung der Gegenstande ergibt ex post eine Sinngebung. Die Geschichte erhebt sich aus dem verworrenen Handeln der Menschen und wird zur logischen Geschichte, zur Heilsgeschichte, wobedann angenommen wird, der gegenwärtige Zustand sedas Heil. Diese Logik ist die Logik des ` Spiegels': Der `Spiegel' ist diejenige Zeitschrift, die dem gegenwärtigen Geschehen den Sinn des `Nicht-Zufälligen' gibt. Nicht zufällig hat Barschel schon vor zehn Jahren. . ., nicht zufällig hat Kohl schon wahrend des Studiums..., nicht zufällig haben die Russen seinerzeit . . . die vom `Spiegel' produzierte Scheinlogik der Gegenwart ist dieselbe, mit der durch eine Aufreihung von Objekten Geschichte hergestellt wird. Gegenstande neigen nur allzu leicht dazu, eine solche Logik zu erzeugen. Ein schönes Beispiel sind die Pfahlbauer. Sie waren einst der Stolz der Schweizerischen Nationalgeschichte, und es gab kein Schulhaus, in welchem nicht die Bilder vom Alltagsleben der Pfahlbauer hingen: Die Mutter sitzt auf den Brettern vor der Hütte und schaut über den See, ob der Mann schon vom Fischen heimkehrt; die Männer schleppen den erlegten Baren zum Schiff, voller Vorfreude auf die Begrüßung im Pfahlbauerdorf. Die Pfahlbauer waren so schon wie logisch, und als in den dreißiger Jahren deutsche Gelehrte erstmals publizierten, daß es die Pfahlbauer gar nicht gab, führte di...
Müll
Müllproduktion ist Anzeichen von Leben. Da, wo kein Müll ist, da ist entweder der Himmel oder die Hölle. Der Müll ist das, was bleibt, was übrigbleibt, ist das, was in einem Konsumtionsprozeß nicht aufgeht. Er ist zunþchst dann wertlos. In einem zweiten Anlauf kann er einer Wiederverwertung zugeführt werden. Die erreicht man durch Zufuhr von Energie. Energie ist kostbar. Deshalb steht Müllvermeidung hoch im Kurs. Als ideal wird das absolute Müllrecycling vorgestellt: Es soll nichts Unverwertbares übrigbleiben. Absolute Wertschöpfung. Closed Circuit. Ohne jeden Verlust. Ein perpetuum Mobile der Lust. Müll ist das, was abfällt, beim gesamtgesellschaftlichen Verdauungs- prozeß. Man läßt ihn nicht mehr, wie in den 50iger und 60iger Jahren einfach hinter sich. Er wird zum basalen Erziehungs- und Disziplinierungsmoment der Gegenwart. In der Sozialisation lernt man je nach Stadtteil von sechs bis zu etwa zwanzig Sorten zu unterscheiden und an unterschiedlichen Orten auf unterschiedliche Weise zu deponieren. Eine der Einrichtungen, die sich um Müllvermeidung und -recycling bemühen, ist das Museum. Karl-Josef Pazzini
Mystery Objects
Nicht identifizierbare Objekte sind im Museum eine Provokation, ein Ärgernis. Sie sperren sich nicht nur gegen ihre museumsübliche Verwaltung, gerade sie als 'unbeschriebene Blätter', scheinen es unmöglich zu machen, mit beliebiger Bedeutung überschrieben werden zu können. Das macht sie - der englische Sprachgebaruch ist da gewitzter als der deutsche - zu 'mystery objects'. Zu Aliens, die zwischen Depot, Archiv, Abfall, Lager vergeblich zirkulieren aber doch nie das Licht der Ausstellung erblicken sollen. Als Musealien' sind sie Sonderformen der Tücke des Objekts, dazu da Registrare und Kuratoren zur Verzweiflung zu bringen... Gottfried Fliedl
museal
Der Ausdruck 'museal' hat im Deutschen unfreundliche Farbe. Er bezeichnet Gegenstande, zu denen der Betrachter nicht mehr lebendig sich verhält und die selber absterben. Sie werden mehr aus historischer Rücksicht aufbewahrt als aus gegenwärtigem Bedürfnis. Museum und Mausoleum verbindet nicht bloß die phonetische Assoziation. Museen sind wie Erbbegräbnisse von Kunstwerken. Sie bezeugen die Neutralisierung der Kultur. Kunstschätze sind in ihnen an- gehortet: der Marktwert verdrängt das Glück der Betrachtung. Theodor W. Adorno: Erbbegräbnis
multiple
Im Spätherbst 1959 präsentierte Daniel Spoerrin der Pariser Galerie Edouard Loeb eine Folge multiplizierter Kunst, die `nicht mit den klassischen Verfahren (Lithographie, Bronzeguß etc.) hergestellt wurde. Bisher richtete sich der Künstler nach dem Vervielfältigungsverfahren, hier wird das Vervielfältigungsverfahren vom Kunstwerk bestimmt. Spoerrtaufte seine Erfindung Edition MAT (Multiplication d'Art Transformable), denn im Zentrum stand das Transformierbare, Veränderbare der Arbeiten, die sich aus dem Bereich der Op-Art und der Kinetik rekrutiertenZugleich sollte der Begriff Assoziationen zum Wort `Material' wecken. Da nicht von einer bereits existierenden Atelier-Kreation ausgegangen wurde, sondern von einem eigens zur Vervielfältigung konzipierten Prototyp, sprach Spoerrnicht von Reproduktion sondern von Multiplikation. Mitte der 60er Jahre gab es eine zweite Phase der Mat-Aktivitäten unter dem Motto `Originale in Serie' (Karl Gerstner). Die Herstellung übernahm der Kölner Galerist Hein Stünke. 1968 zeigte das Wallraf-Richartz-Museum unter dem Titel `ars multiplicata' eine Übersicht der vervielfältigten Kunst seit 1945. Hein Stünke war auch Mitinitiator des 1967 gegründeten Kölner Kunstmarkts. Multiplizierte Kunst und Kunst als Ware in unverstellter Marktwertnacktheit bedingten sich hier gegenseitig. Op-art Vermarkter Victor Vasarély besaß nicht nur eine Manufaktur, wo seine Werke fast am laufenden Band produziert wurden, sondern auch einen eigenen Laden in New York für den Verkauf, sowie ein eigenes Museum in seinem Schloß, um das Oeuvre in angemessenem Rahmen zu propagieren. Das Phänomen Vervielfältigung ist so alt wie die Kunst selbst. Ohne Massenfertigung per ...
Museum und Gedächtnis
The contemporary museum intervenes in a specifically postmodern dynamics of memory and amnesia. Along with the other institutions and sites that organize our social memory, the museum plays a pivotal role in the postmodern predicament of memorial culture. The issue of remambrance and forgetting touches the core of a multifacted and diverse western identity...Without memory, without reading the traces of the past, there can be no recognition of difference,...no tolerance for the rich complexities and instabilities of personal and cultural, political and national identities. Andreas Huyssen
Museumsarchitektur
Perhaps for the first time in the history of avant-gardes, the museum in its broadest sense has changed ist role from whipping boy to favorite son in the familiy of cultural institutions. This transformation is of course most visible in the happy symbiosis between postmodern architecture and new museum buildings. The success of the museum may well be one of the salient symptoms of Western culture in the 1980s: ever more museums were planned and built as the practical corollary to the 'end of everything' discourse. Andreas Huyssen
Museumserfahrung
Nicht nur werden gewöhnliche Sachen, wenn in den Kontext des Museums gestellt, zu etwas Besonderem, sondern die Museumserfahrung selbst wird gleichzeitig zu einem Modell für das Erleben der Welt außerhalb seiner Mauern. Barbara Kirshenblatt-Gimblett
Museumskommunikation
Da ist ... die Sicht Jean Baudrillards, ... daß die Massenmedien ihre endlosen Botschaften einer Öffentlichkeit senden, die sie tatsächlich nie empfängt. Höchst ironisch ist in diesem Fall das Abwesen von Kommunikation. ... Ich sehe keine Veranlassung, der Hypothese abzuschwören, daß die Organisation des Museums - die Anordnung von Objekten und Räumen - bestimmte Typen der Wahrnehmung und Interpretation vermitteln und beim Museumspublikum gleichzeitig voraussetzen kann. Damit ist nicht notwendig gemeint, daß die Öffentlichkeit eine 'Botschaft' erhält, welche die Museumsleitung ihr absichtlich und bestimmt vermacht. Ich bitte nur zu akzeptieren, daß sowohl die Museumsleute als auch das Publikum eine gemeinsame Fähigkeit zur Registrierung und Differenzierung bestimmter Strukturen teilen, und daß das Museum von daher ein Ort ist, an dem Kommunikation stattfindet. Stephen Bann. Das ironische Museum
Museumsshop
siehe auch Fetisch Theoretische Objekte
Museumswärter
Der Museumswärter ist im Museum der meistgefragte Mann. Einer der wichtigsten Vorgänge in der Museumsgeschichte ist wohl die Wandlung im Berufsbild des «Kustos». Solange autodidaktische Kunstgelehrte, Künstler oder Schneider der Garderobe die Sammlungen betreuten, sporadische Besucher schlüsselklirrend durch die Säle führten und am Ausgang ihren Obolus verlangten, war der Fachmann der Gesprächspartner des Besuchers. Fürstliche und private Sammler haben die Besucher oft auch persönlich geführt. Nachdem die Kunsthistoriker mit der Kunstwissenschaft in den Museen auch die Etagen der Museumsdirektion etabliert haben, hat sich der Sachverstand vom Kommunikationsfeld zwischen Besuchern und Kunstwerken zurückgezogen. Die alltägliche Fragelast ist auf die Museumswärter übergegangen. Martin Warnke
Museumsmüdigkeit
If wished to write a description of the Exhibition and all it contained, should have to write from now until the closing of the Exhibition, every day for twenty-four hours, and even then should have written onlya tenth or a hundredth part. No description can give a true idea of the Exhibition; one must have seen it with one's own eyes. left it very tired. The Shah of Persia on an Exhibition of 1878
Museumskultur
`Art and museum culture is the secular religion of capitalism. It provides a space for inner meaning in an otherwise spiritually empty world.' Gregory Sholette
Museumspädagogik
Unter Museumspädagogik sind heute alle Bemühungen um eine Bildungsarbeit für eine breite Öffentlichkeit mit dem in den Museen gesammelten und wissenschaftlich aufbereiteten Kulturgut zu verstehen. Museumspädagogik wird zur Zeit empirisch und pragmat...
Mouse Museum
Das Mouse Museum enthält nichtveränderte Objekte - gefundene, gekaufte, von Reisen mitgebrachte Souvenirs, Krimskrams, Spielzeug usw. -, Atelierobjekte und Fragmente - wie z. B. die von Oldenburg entworfenen für Happenings bestimmten Objekte - und veränderte Objekte. Die Objekte wurden von Claes Oldenburg entlang eines Strips in einer festgelegten Zeit, in einer Art 'Ein-Mann Performance', in einem Zug, ohne innezuhalten oder zurückzugehen, arrangiert. Coosje van Bruggen: Claes Oldenburg: Mouse Museum/Ray Gun Wing. Rijksmuseum Kröller-Müller, Otterlo und Museum Ludwig Köln 1979. Ausstellungskatalog
Mirabilia
Wunderdinge, kuriose, verblüffende, ungewöhnliche Dinge; bewundernswerte, Staunen erregende Dinge. siehe auchKleinod Memorabilia
Medium
Das Medium ist der Schutz und Schirm, den der Mensch braucht, um nicht unmittelbar zu werden. In der Bestimmung des Mediums schwankt McLuhan zwischen Botschaft und Massage, ein jegliches Medium - so kann man das bekannte Diktum lesen - ist angesiedelt zwischen dem Symbolischen der Botschaft und der Massage des Körpers, des Realen, die Verknüpfungen sind imaginär, deshalb nie unwirklich.Die jeweils neuen Medien werfen verschärft die Frage auf, was denn eigentlich ein Medium sei. Medien haben deshalb immer einen reflexiven, sogar einen selbstreflexiven Charakter. Medien haben die Eigenschaft, etwas an einem anderen Ort präsent zu machen, als an dem Ort, wo das Subjekt in seiner Unmittelbarkeit gefesselt ist. Etwas präsent zu machen, heißt immer auch zu repräsentieren. Man macht ja etwas von woanders her präsent - sonst würde ja auch kein Bedarf an Pädagogen bestehen. Was geschieht in der Präsentation? Etwas wird den Sinnen eines anderen (oder seiner selbst) zugänglich.' Im Bilde sein' heißt, daß einem etwas präsent ist. Es entsteht ein Gefühl der Wirklichkeit, der Eindruck, daß etwas wirkt. Was die Sinne, den Körper in seiner Haltung, erregt, ist das gewählte Medium, seine Formung, seine Materialität. Das Medium ist die Engführung dessen, was auf den Körper des anderen treffen soll, welche Sinne affiziert werden sollen. Die Medien haben eine sehr ähnliche Bindekraft wie die Phantasie. Die Phantasie bleibt aber im Unterschied zu den Medien streng genommen immer eine individuelle. Sie bleibt verborgen. Sie verbindet im Individuum Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander, und schafft Räume, in denen assoziiert werden kann. Die Sprünge der Assoziationen schaffen die Zeit. Von den Medien zu sagen, sie seien ...
Memorabilia
Merkwürdigkeit, d.h. etwas, das geeignet ist, Erinnerung hervorzurufen, namentlich an (historische) Ereignisse siehe auch Mirabilia Souvenir
Merchandising
Das Merchandising ist eine Tätigkeit des Marketing, das die Planung und Organisation des Verkaufes eines Produktes beEinzelverkaufsorten, wie Geschäften, Supermärkten, Kaufhäusern, betrifft. Merchandising zielt darauf, das Produkt in der effizientesten Form aufzustellen, um die Aufmerksamkeit des potentiellen Käufers anzuziehen. Praktisch umfaßt das z. B., die Art, die Produkte auf den Verkaufsflächen und Regalen aufzustellen (display), die praktische Vorführung ihrer Qualitäten durch spezialisiertes Personal, die Einführung von Rabatten, etwa in Form von Geschenken und Gutscheinen. Dazu kommt die Verpackung, die sowohl den Kriterien eines günstigen und sicheren Transportes als auch der Attraktivität der Produkte entsprechen muß (packaging). Im Museumsshop spielen die Verpackungen normalerweise auf Eleganz und leichten Snobismus an.Gibt es ein Merchandising für Ausstellungen? Es wäre zu erwarten, daß unter dem Druck effizient zu wirtschaften, Ausstellungen nach Merchandising- Kriterien aufgebaut werden: die größeren Bilder in der Mitte des Rundganges, damit die 'schwimmende' Aufmerksamkeit des Besuchers gelenkt wird, die 'kleineren' Werke eher am Ende, wo schon eine Phase der Ermüdung eingetreten ist, schönere Rahmen und besseres Licht für die Stars der Ausstellung u.s.w. Oder ist das alles nur ein Scherz? Marina Galvansiehe auch Marketing
Marketing
Gutes Marketing besteht darin, die Museumsidee aus der Sicht des Marktes (zum Markt gehören alle Betroffenen, Beteiligten und Menschen, die angesprochen werden sollen sowohl innerhalb wie außerhalb des Museums) zu betrachten. Gutes Marketing läßt das Museum, die Leistungen, die `Produkte', die Beziehungsprozesse und die Präsentation so gestalten, daß alle den Sinn, den Nutzen und den Gewinn in der Museumsidee sehen. Die Folge von gutem Marketing ist die Akzeptanz des Museums: der Besuch, die Mitgliedschaft, die Spende, die Mitarbeit oder einfach die `gute Nachrede'. Aktives Marketing heißt, vorhandene Bilder wahrzunehmen und diese Bilder zu verändern, zu verbessern und weiterzuentwicklen! Marketing heißt Bilder managen! Ludwig Kapfer siehe auch Merchandising
Lustobjekt
Im Wort bleibt unentschieden, ob es sich um einen Genitivus subjectivus oder objectivus handelt. Es ist wohl beides. Es wird nichts generiert ohne Lust. Die Lust braucht ein Objekt. Bleibt sie vorobjektal, dann ist es nur Erregung. So wird das Symbiotische der Verliebtheit, das Psychotische darin, was keine Differenzen mehr machen kann, erst fruchtbar mit der Frage: `Darf ich Dich zum Objekt meiner Lust machen?' Wird diese Frage nicht gestellt - so oder anders - dann ist nur Kuschelsex möglich. Nun gibt es auch Objekte - im Sinne von Dingen, von Gegenständen - die der Lust dienen, genauer der Vorlust. Wenn es beder Vorlust bleibt, dann ist man auf geradem Weg zum Fetischismus. K .J. Pazzinsiehe auch Rubens-Syndrom
Lehrmittel
Vorsätzlich eingesetztes Gerät zur Herstellung jener Leere in Köpfen, in der ganz bestimmte Erklärungen greifen. Besonderes Charakteristikum - befindet sich zum Zeitpunkt akuten Erklärungsnotstandes immer anderswo, entweder gerade in Reparatur, in einem schulischen Hinterzimmer im Regal rechts oben oder auf dem Flohmarkt. Monika Schwärzler
Kulturvermittlung
siehe auch Kunstvermittlung
Kunst- und Wunderkammer
Sammlungsform, die in der Spätrenaissance und im Barock weit verbreitet war. 'Autoren' solcher Kammern sind kirchliche und weltliche Würdenträgern, aber auch Ärzte, Apotheker (denen viele Naturalienkabinette praktisches Wissen und Heilbehelfe zur Verfügung hielten), Patrizier, Kaufleute und Gelehrte. Entsprechend ihrer Exklusivität und Individualität - etwa als Orte des Studiums und des Experiments - sind sie kaum oder nur sehr beschränkt zugänglich, etwa für Personen `von Stand' oder `Kollegen' aus dem Gelehrtenstand. In Kunst- und Wunderkammern finden sich Kunst- und Naturobjekte, Automaten, Waffen, Globen, Bücher und Manuskripte, Porzellan, Fossilien, präparierte Tiere, Knochen, Vogeleier, Muscheln uvam. oder etwa auch ethnografische Objekte. Ihre Objekte zeichnen sich durch Seltenheit (Rarität), Kostbarkeit und Kuriosität (einer Wunderbarkeit, die diesen Kabinetten ihren Namen gibt) aus, das heißt durch deren Eigenschaft Wissbegier, Staunen und Neugier zu erregen.
Kunstvermittlung
Die Kunstvermittlung wird oft einer bestimmten Abteilung von Kunstinstitutionen zugerechnet. Dabewird das Ausmaß unterschätzt, in dem Kunstinstitutionen selbst schon pädagogische Institutionen sind, die der Bevölkerung unter anderem National-, Klassen- oder Politkultur ... vermitteln. Die Kunstvermittlung im engeren Sinn ist dabenur ein kleiner Ausschnitt jener allgemeinen institutionellen National-, Klassen- und Politvermittlung, die die Institution als Ganze leistet. Auf diese Weise, d. h. durch institutionalisierte Diskurse, werden Identitäten oder Subjektformen (nationale, geschlechtliche, koloniale etc.) konstruiert, reproduziert und in Umlauf gehalten. Dass viele Kunstinstitutionen sich also eine eigene Vermittlungsabteilung leisten, verdeckt nur die Tatsache, dass die Institution selbst eine große Vermittlungsabteilung ist. Die Arbeit der eigentlichen Kunstvermittlung präsentiert nur einen kleinen Ausschnitt der in Institutionen materialisierten Diskurse. Auch wenn die in den Museen und Kunsthallen werkenden Kunstpädagogen und -pädagoginnen - nennen wir sie, einfach guides - sich selbst und ihren höheren Auftrag anders imaginieren mögen, sind sie doch Teil der Institution, die selbst als komplexes Agglomerat aus diskursiven Praktiken betrachtet werden muss. Führungen oder noch so harmlos scheinende Kreativspielchen, die vielleicht mit Schulkindern getrieben werden, sind zuallererst Teil dieser allgemeinen Diskurse und Praktiken, die die Institution selbst ausmachen. Oliver Marchart: Die Institution spricht, aus: Wer spricht? Autoriät und Autorschaft in Ausstellungen, schnittpunkt (Hg.), Wien 2005, S. 34-58 siehe auch Führung Museumspädagogik...
Kunstmuseum
Bode-Museum, Berlin Alles, aber auch alles in diesen bürgerlichen Tempeln, in denen die bürgerliche Gesellschaft deponiert, was sie an Heiligstem besitzt, nämlich die ererbten Reliquien einer Vergangenheit, die nicht die ihre ist, in diesen heiligen Stätten der Kunst, die einige Erwählte aufsuchen, um den Glauben an ihre Virtuosität zu nähren, während Konformisten und Philister hierher pilgern, um einem Klassenritual Genüge zu tun, alles in diesen ehemaligen Palästen oder großen historischen Wohnsitzen, denen das neunzehnte Jahrhundert imposante, oft im graecoromanischen Stil der bürgerlichen Heiligtümer gehaltene Anbauten hinzufügte, besagt schließlich nur das Eine: daß nämlich die Welt der Kunst im selben Gegensatz zur Welt des alltäglichen Lebens steht wie das Heilige zum Profanen. Pierre Bourdieu: Elemente zu einer soziologischen Theorie der Kunstwahrnehmung, in: ders: Zur Soziologie der symbolischen Formen. Frankfurt 1974, S.159ff., hier S.199
Kunstwerk
Marcel Duchamp: Wir legen zuwenig Gewicht darauf, daß das Kunstwerk vom Künstler unabhängig ist. Das Kunstwerk lebt durch sich selbst, und der Künstler, dem es zufiel, daß er es machte, ist wie ein unverantwortliches Medium. Kein Künstler kann zu irgendeiner Zeit sagen: Ich bin ein Genie. Ich werde nun ein Meisterwerk malen. Gregory Bateson: Nun, Mr. Duchamp, was Sie sagen, heißt nichts anderes, als daß der Künstler der Weg des Bildes ist, um sich selbst zu malen. Das zu sagen ist sehr seriös und vernünftig, schließt aber ein, daß das Kunstwerk in gewissem Sinne existiert, bevor es auf der Leinwand erscheint. Marcel Duchamp: Ja, es muß hervorgezogen werden....Es ist eine Art Wettrennen zwischen dem Künstler und dem Kunstwerk.
Konstruktion
siehe auchMuseum, im Medienzeitalter
konservieren
Während der hochfürstliche Mohr Angelo Soliman noch auf altmodische Weise wie ein Tierbalg ausgestopft wurde, tauscht der deutsche Arzt und Erfinder der Plastifikationsmethode Gunther von Hagen die gesamte Flüssigkeit des Körpers durch Kunststoff aus. Der Körper bleibt haltbar, elastisch, riecht nicht, ist nicht toxisch, verwest nicht und läßt sich berühren. Absolute Hygiene. Der Höhepunkt des Befremdens ist erreicht, hält man das plastifizierte Gesicht einer Frau mit geschlossenen Augen in Händen. Die Totenmaske wird nicht mehr abgenommen, der Körper selbst ist sich sein konserviertes Double. Das Gesicht †“ Spiegelbild zur ersten Subjektkonstitution in jedem Menschenleben †“ gerät zur verschlingend realen Fratze. Die Nachfrage, sich auf solche Weise plastifizieren zu lassen, steigt. Vorteilhaft für die Verewigung ist dabekörperliches Training zu Lebzeiten, weil die Leiber †“ ganz oder in Teilen †“ nach dem Tod ohne Kleidung und zum Teil auch ohne schützende Haut präsentiert werden. Hier wird nichts in Mumiensärgen verborgen und unter Kostümen verdeckt. Der Tod verschwindet in seiner Allgegenwart. Wer zum Plastifikationsmenschen mutierte, ist dazu verdammt, in alle Ewigkeit sichtbar zu bleiben. Was fortan geschieht, obliegt der Sensibilität derer die ihn fortan als Schau- und Demonstrationsobjekt benutzen. Nicht jedes und jeder aber kann überhaupt wählen zwischen Konservierung und Nichtkonservierung. Eva Sturm
Kleinod
Kleinod, 2007 zusammen mit blümerant und anderen Worten als aussterbendes Kleinod des deutschen Sparchschatzes gewählt, bedeutet etwas Kleines, eine Kleinigkeit, Kostbarkeit, kleines Geschenk, Schmuckstück, Abzeichen.
Kinkerlitzchen
Nichtigkeiten, Albernheiten, Flitterkram. Kinkerlitzchen glitzern nicht für jeden. Vor allem (aber nicht nur) auf kleine Kinder scheinen sie eine magische Anziehungskraft auszuüben. Schaue ich in das Zimmer meiner Töchter, so finde ich Porzellantiere in Miniaturformaten, quietschende Gummikühe, einen Eiffelturm auf Marmorsockelimitat, einen Sarkophag als Bleistiftbehälter. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Man findet sie nicht nur in den sogenannten Andenkenläden der Touristenorte sondern kann in jedem Kaufhaus fündig werden. Kinkerlitzchen kosten etwas, nicht unbedingt viel. Da Kinkerlitzchen zumeist kleine Gegenstände sind, kann man sehr viele davon kaufen. Sie verschwinden buchstäblich in den Untiefen der Regale und Schränke. Es scheint als hätten die Kinder sie vergessen. Bricht der Porzellanschildkröte unter dem Bücherberg jedoch ein Bein, so treiben uns die Tränen der Kinder zu einer komplizierten Reparatur einer Nichtigkeit. Petra Schütz
Kabinett
Meist kleines fürstliches Privatgemach, das als als Aufbewahrungsort kostbarer kleiner Dinge genutzt werden konnte. Die Funktion dieser Kammer als Beratungsraum lebt im Wort Kabinett für die Versammlung der Minister einer Regierung fort, die Funktion als Aufbewahrungs- und Ausstellungsort für Exponate im Begriff der Kunstkammer, des Münzkabinetts, Antikenkabinetts usw., der Naturalienkammer oder der Wunderkammer sowie schließlich des Kabinettschrankes †“ als einer Art Miniaturkabinett das wie ein Raum eine ganze Sammlung enthält. siehe auch Kunst- und Wunderkammer
Inventar
Ein Inventar ist ursprünglich ein Verzeichnis von Besitztümern. Für Museen hat es diese Funktion ebenfalls, begründet das Eigentumsrecht an Objekten, zugleich dient es aber der Verwaltung der Sammlung (ermöglicht die Auffindbarkeit, ist Grundlage wissenschaftlicher oder restauratorischer Bearbeitung und Voraussetzung der Ausstellungstätigkeit). Zu diesem Zweck wird im Inventar der Objektbestand bestimmt, kategorisiert (oft mit Hilfe von Thesauri) und beschrieben. Vor allem die Kategorisierung und Bechreibung macht das Inventarisieren zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Die Bedeutungsvielfalt, unter der Objekte erforscht oder exponiert werden können, muß eingeschränkt, vereinfacht und vereindeutigt werden. Vor allem aber lassen sich neue oder zukünftige Themen, Methoden und Fragestellungen kaum oder gar nicht voraussehen und daher auch nicht klassifizieren. Die boomende Industrie von Inventarisierungssoftware ist nur dort hilfreich, wo es um rationelle Datenerfassung geht, schafft aber selbst Probleme, z.B. durch verwirrende Vielfalt von Normen, begrenzter Adaptierbarkeit beNeuorientierung etwa der Sammlungspolitik und -verwaltung, Vernetzung von Datenbeständen.
Imaginäres Museum
Im Bedeutungswandel des Begriffs Kunstwerk wird in der modernen Zeit ein entscheidender Schritt getan: die Loslösung nun auch aus dem profanen Zusammenhang. Es entsteht eine Welt für sich, die wir die der Kunst schlechthin nennen; die Kunstwerke schaffen eine ihnen eigene, autonome Welt. Sie werden nun nicht mehr vorwiegend als Teil des Lebens der Gemeinschaft, der Geschichte usw. betrachtet, sondern nach Gesetzen, die nur dem in die Kunst Eingeweihten bekannt sind. Es entsteht das, was Malraux das 'imaginäre Museum' nennt, ein selbständiges Gebiet von der Wirklichkeit gelöst, ein Reich der Kunst mit eigenen Maßstäben und eigener Idealität, erfüllt mit Werken aller Zeiten und Zonen, allen erschlossen und überall verbreitet durch die Technik der Reproduktion. Was einstmals ein Heiligtum war, wird ein rein künstlerisches Gebilde, das Porträt, ehemals Abbild eines Menschen, wird Abstraktion. Das imaginäre Museum gründet eine neue Geschichte, die der autonomen künstlerisch-ästhetischen Werte, es bildet neue Gruppen, es vergleicht, analysiert und gliedert und bringt das zeitlich und räumlich weit voneinander Entfernte in Zusammenhang, z. B. die Kunst der Vorzeit mit den Schöpfungen der jüngsten Moderne. In diesem imaginären Reich erhält die Kunst ein Ziel in sich selbst, sie strebt ihrer eigenen Vollendung zu. In ihm lassen sich zum ersten Mal die Werke der verschiedensten Zeiten sammeln, frevon der Bindung an die Normen und Werte unserer eigenen Tradition. Das Malen und Dichten selbst ist heute nicht mehr ein Dienst an übergeordneten Lebensmächten, sondern ein Dienst an der Kunst, und das imaginäre Museum ist eine Schöpfung dieser unserer modernen selbständig gewordenen Kunst. Ernesto Grassi
Historikerausstellung
Die die Historikerausstellung charakterisierende Textstrategie ist die Erzählung. Sie hat eine radikal andere Objektbeziehung als der Kommentar. (...) Jörn Rüsen hat die Historikerausstellung als Texttapeten mit optischen Fußnoten ironisiert. Jürgen Steen siehe auchTexte
Hyperrealität
Disneyland wird als Imaginäres hingestellt, um den Anschein zu erwecken, aller Übrige sereal. Los Angeles und ganz Amerika, die es umgeben, sind bereits nicht mehr real, sondern gehören der Ordnung des Hyperrealen und der Simulation an. Es geht nicht mehr um die falsche Repräsentation der Realität (Ideologie), sondern darum, zu kaschieren, daß das Reale nicht mehr das Reale ist, um auf diese Weise das Realitätsprinzip zu retten. Das Imaginäre von Disneyland ist weder wahr noch falsch, es ist eine Dissuasionsmaschine, eine Inszenierung zur Wiederbelebung der Fiktion des Realen. Daher die Debilität dieses Imaginären, sein infantiles Degenerieren. Unsere Welt möchte kindlich sein, um den Anschein zu erwecken, die Erwachsenen stünden draußen in der realen Welt. Man will verbergen, daß die wirkliche Infantilität überall ist und daß die Erwachsenen selbst hier Kind spielen, um ihre reale Infantilität als Illusion erscheinen zu lassen. Jean Baudrillard. Ramses oder die jungfräuliche Wiederauferstehung, aus: Die Agonie des Realen. Berlin 1978, S.16-26
Heimatmuseum
`Deine Sammelstücke sollen nur aus der Heimat stammen und der Heimat dienen.' Ferdinand Wiesinger, 1928
Heterotopie
Museen, die Bibliotheken. Museen und Bibliotheken sind Heterotopien, in denen die Zeit nicht aufhört, sich auf den Gipfel ihrer selber zu stapeln und zu drängen (...) Doch die Idee, alles zu akkumulieren, die Idee, eine Art Generalarchiv zusammenzutragen, der Wille, an einem Ort alle Zeiten, alle Epochen, alle Formen, alle Geschmäcker einzuschließen, die Idee, einen Ort aller Zeiten zu installieren, der selber außer der Zeit und sicher vor ihrem Zahn sein soll, das Projekt, solchermaßen eine fortwährende und unbegrenzte Anhäufung der Zeit an einem unerschütterlichen Ort zu organisieren †“ all das gehört unserer Modernität an. Das Museum und die Bibliothek sind Heterotopien, die der abendländischen Kultur des 19. Jahrhunderts eigen sind. Michel Foucault siehe auch Tempel
Gimmick
So wird das verschärfte Gadget im Angelsächsischen genannt. Es ist ein witziges Gerät, dessen Funktion und Aussehen nur dazu dienen, Aufmerksamkeit oder Aufsehen zu erregen. Ulrich Giersch siehe auchGadget
Gedächtnis
Das kulturelle Gedächtnis hat seinen anthropologischen Kern im Totengedächtnis. Aleida Assmann
Gedächtnisort
Artusgrab, Glastonbury Die Gedächtnisorte, das sind zunächst einmal Überreste. Die äußerste Form, in der ein eingedenkendes Bewußtsein überdauert in einer Geschichte, welche nach ihnen ruft, weil sie nicht um sie weiß. Die Entritualisierung unserer Welt ist es, die diesen Begriff auftauchen läßt. Das, was eine Gemeinschaft, die bis in ihre Grundfeste in Wandel und Erneuerung hineingerissen ist, künstlich und willentlich ausscheidet, aufrichtet, etabliert, konstruiert, dekretiert, unterhält. Eine Gesellschaft, die von Natur aus das Neue über das Alte, den Jungen über den Alten, die Zukunft über die Vergangenheit stellt. Museen, Archive, Friedhöfe und Sammlungen, Feste, Jahrestage, Verträge, Protokolle, Denkmäler, Wallfahrtsstätten, Vereine sind Zeugenberge eines anderen Zeitalters, Ewigkeitsillusionen. Daher der nostalgische Aspekt dieser pathetischen und frostigen Ehrfuchtsunternehmen. Sie sind Bräuche einer Gesellschaft ohne Brauchtum; flüchtige Heiligtümer in einer Gesellschaft der Entheiligung; besondere Bindungen in einer Gesellschaft, die alle Besonderheiten schleift; faktische Differenzierungen in einer Gesellschaft, die aus Prinzip nivelliert, Erkennungszeichen und Merkmale der Gruppenzugehörigkeit in einer Gesellschaft, die dazu tendiert, nur noch gleiche und identische Individuen anzuerkennen. Die Gedächtnisorte entspringen und leben aus dem Gefühl, daß es kein spontanes Gedächtnis gibt, daß man Archive schaffen, an den Jahrestagen festhalten, Feiern organisieren, Nachrufe halten, Vorträge beim Notar beglaubigen lassen muß .. Wäre aber das, was sie verteidigen, nicht bedroht, so brauchte man sie nicht zu konstruieren ... Pierre Nora: Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Berlin 1990, S.17
Gegenwartsbezug
Die wahre Methode, die Dinge sich gegenwärtig zu machen, ist, sie in unserem Raum (nicht uns in ihrem) vorzustellen (...) Es ist auch der Anblick großer vergangener Dinge - Kathedrale von Chartres, Tempel von Paestum - in Wahrheit (wenn er nämlich glückt) ein: sie in unserm Raum empfangen. Nicht wir versetzen uns in sie, sie treten in unser Leben. Walter Benjamin
Gadget
`Ein meist kleiner mechanischer oder elektronischer Apparat zum praktischen Gebrauch, in der Regel eine Neuheit.' So wird das Gadget knapp in Websters Wörterbuch definiert. Zu den wesentlichen Eigenschaften aber zählen, das hat Horst-Dieter Ebert betont, `die in aller Regel Aufmerksamkeit erregende Anomalität des Gadgets und seine kokette Gefallsüchtigkeit, mit der es sich als 'conservation piece' in Gespräch zu bringen trachtet'. Gerade deshalb werden sie gerne als Mitbringsel für Partys, Bürogeburtstage etc. gekauft: sie sind der erste Anlaß, um die ganze Gruppe zum loslachen, lossprechen oder überhaupt zum loslegen zu bringen. Das Spektrum ist groß, es reicht von der Brille mit eingebautem Scheibenwischermotor, der Regenschirmkappe über ein Telephon, das wie eine Coladose aussieht bis hin zu einer sprechenden Badezimmerwaage, die lobt oder tadelt, da sie sich das Körpergewicht vom vorigen Mal gemerkt hat.Prototypen dieser Art von Objekten findet man vor allem beWettbewerben der Amateur-Erfinder wie dem legendären `Concours Lépine'; hier werden durch einfache Kombination genormter technischer Elemente außerordentlich komplizierte und vollkommen überflüssige mechanische Werke in die Welt gesetzt. Der Eieröffner mit Hilfe von Solarenergie ist so überflüssig, daß sein Zweck nur als Vorwand gelten kann: diese Objekte sind nur auf eine subjektive Weise funktionell. Gadgets sind gegenständliche Gags, an deren Originalität der Träger zu partizipieren trachtet. Objekte wie der Lachsack, ein Arsch mit Ohren, ein Aufwischtuch, auf dem `Jammerlappen' aufgedruckt ist, bilden eine verwandte Familie: Hier ist das `Wortwörtlich-nehmen' z.B. umgangssprachlicher Floskeln ein...
Führung: Modell Zerberus
Eine nicht öffentliche Schausammlung von Sehenswürdigkeiten einem ausgewählten Publikum zu eröffnen war gewiss eine komplizierte Angelegenheit. Hier eine krautig nach innen anwachsende, empfindliche, so aber dem Publikum zugemutete Versammlung undeutlicher Werte in subtiler Geordnetheit †“ die Ausstellung; dort Besichtigende aus Gelegenheit, die nicht ohne mit den etablierten notwendigen Umständen vertraut gemacht zu sein, zur Betrachtung zugelassen werden konnten. Und eine Ansprache, die mit der auch selbstvergewissernden Absicht unternommen wurde, das Erreichte, aber vielleicht wenig Evidente in Anstachelung sich steigernder Neugierde als besondere Gelegenheit vorzuführen. Fragen der Ordnung und Wiederauffindbarkeit, der Sicherheit und Besucherkontrolle, der vorsichtigen und lenkenden Weitergabe geeigneter Information waren zu beachten. Eine Führung hatte Verweisaufgaben, ihre Funktion besteht ebenso im Kanalisieren, Domestizieren und im Absichern beAufmerksamkeit aus nächster Distanz. Aber mit dem erprobten und routinierten Erfolg solch einer Zurschaustellung nehmen Sorgen nicht ab. Die Probleme variieren allenfalls, verlagern sich und dehnen sich aus. War es gelungen, eine fähige Moderation durch Dritte - den Mittler zwischen Museum / Kurator etc. einerseits und Publikum / Öffentlichkeit andrerseits - einzurichten, bedeutete dies für Begründer einer Sammlung den Ausweg aus der fortgesetzten Bindung an ein eigenes sich wiederholendes Präsentieren. Der Ruf einer Sammlung ließ sich gezielt weiter verwirklichen; zugleich war Zeit gewonnen, den bibliothekshaften Weiterwuchs praktisch zu bewerkstelligen oder die Fragestellungen der Sammlung unterdessen noch zu entwickeln. Für die Besucher gefordert ist ein passend a...
Führungen: Geschichtliches
Führungen sind eine feste Erscheinung des Zurschaustellens museumsähnlicher Einrichtungen, lange vor dem etablierten öffentlichen Museum. Als eine erste Instanz besorgte sie insistierende Begleitung, Sicherheit und Auskunft, orientierte zuweilen schon...
Führung
Museumsführung ist ein spezialisiertes literarisches Erklärungsmedium und gehört zur musealen Sammlungspräsentation. Im Öffentlich gewordenen Museum ist es von ständig verfügbaren Informationsmitteln an den Rand verdrängt worden. Viele Museumsinstitutionen haben es aber in abgewandelter Form beibehalten. Nun ist es eine auf Wunsch einsetzbare, von den Aufgaben her weiter entwickelbare zusätzliche Interpretationsgabe und dient einem besseren Ausstellungsverständnis und der Reflexion. In der Zeigestruktur einer in der Sammlungsöffentlichkeit stattfindenden Führung mit charakteristischen Wechseln des Bildbezugs, thematischen Einschnitten und Übergängen zeigen sich laufend Entsprechungen zur formalen Erzählweise des Ausstellens. Eine Führung eignet sich deshalb besonders, szenische und sprachliche Eigenschaften einer Ausstellung heraufzuholen, sie auch formal zu repräsentieren, sie nachzuzeichnen und dabeangelegte Konsequenzen zu nutzen, aber ebenso auch Kritik zu üben. Den Erfahrungen von Einzelbesuchern einer Ausstellung bleibt das Führungserleben prinzipiell vergleichbar. Führungsreferentinnen und -referenten sind auch 'Gesicht' einer Einrichtung. In den modernen anonymisierten, aber nach wie vor hand- und kopfpraktisch bewerkstelligten, tückischen mehrkanaligen Ausstellungsarrangements eines Museums können sie zwischen Publikum und Museumsfachkräften aktuelle Rückmeldung einfangen und Verstehensprobleme aufdecken. Die Wirkung von Museumsbesuchen kann durch eine gelungene Führung nachhaltiger werden und sich verbinden mit personalen Einsichten, Überzeugungen, gesteigertem Erleben und verstärktem Erinnern. Eine Führung kann museale Strukturen und die Bewandtnis der Präsentationen verdeutlichen und reflektieren. Sie begle...
Freud als Sammler
Schreibtisch von Sigmund Freud, Freud-Museum, London Der Erfinder der Psychoanalyse war ein leidenschaftlicher Sammler antiker Kunstgegenstände ägyptischer, griechischer, römischer und nahöstlicher Provenienz. Sein Arbeitszimmer und sein Behandlungsraum waren damit vollgestopft, und auf seinem Schreibtisch stand ihm wie ein schweigendes Auditorium eine dichte Schar von Statuetten gegenüber. Als er 1938 Wien für sein letztes Lebensjahr im Londoner Exil verließ, gelang es ihm nach langem Bangen, von den Nazibehörden die Erlaubnis zu erwirken, seine Sammlung vollständig mit sich zu führen. Freuds Sammelstücke waren ihm höchste `Erquickung', wobeer nie verhohlen hat, daß psychoanalytisch gesehen das Sammeln auf frühkindliche Erotik zurückgeht. Passenderweise hieß der Wiener Antiquitätenhändler, der Freud die meisten Objekte besorgte, Lustig. Immer wieder hat Freud aber auch auf die Ähnlichkeit des archäologischen Verfahrens mit seiner Methode hingewiesen und diese wiederum auf die Analyse von Kunstwerken und Künstlern angewandt (Michelangelo, Leonardo). Die Anfänge der Freudschen Sammlung sind aus dem Museumsshop: 1896 erwarb er nach dem Tod seines Vaters in Florenz Druckreproduktionen von Kunstwerken und einige Gipsabgüsse, darunter Michelangelos `Sterbenden Sklaven'. Ein Jahrzehnt später konnte er sich dann `echte', das heißt antike Objekte leisten, die aber auch oft bereits Kopien früherer Originale waren . Doch bis zuletzt schmückte ein moderner Abguß des Reliefs der `Gradiva' die Wand seines Behandlungszimmers. Ein solcher Abguß hatte in der von Freud zum Beweis der Analogie von psychoanalytischen und dichterischem Wissen aufgegriffenen Erzählung Jensens die archäologis...
Fremdes
Mit Fremden, mit Anderem hat das Museum es deshalb immer zu tun, weil in ihm Dinge aus räumlich und zeitlich entfernten Welten gesammelt, aufbewahrt und dem Augensinn dargeboten werden...Der, die, das Fremde ist Gegenstand des Museums. Selbst das, was uns gestern noch qua Handhabung vertraut war, ist als museales, als musealisiertes Objekt ferngerückt. Korff, Gottfried: Fremde (der, die, das) und das Museum, in: Jürg Steiner (Hrsg.): Museumstechnik. Berlin 1993, S.8
Fluxus
Das Leben ist auf allen Ebenen ein kontinuierlicher Prozeß: als Bewußtseinsstrom, als Altern, als Rund-um-die-Uhr. Heraklit entwarf das Bild des Lebensstroms, des 'Flux' und 'Flow'. Selbst im Schlaf können wir aus diesem Strom nicht aussteigen, unser Zentralnervensystem prozessiert kontinuierlich weiter, solange wir noch lebendig sind. Aus den Eigendynamiken des Stroms in seinem Bette des Impulsgeschehens zwischen den Neuronen entstehen kleine Wirbel, die der Fließrichtung scheinbar entgegenstehen - stehende Wirbel, scheinbar diskrete Formen im Kontinuum. Jüdische Denker formulierten dieses diskrete Wirbeln als ein Kreisen der Gedanken (dem Pulpil), englische Literaten um Ezra Pound organisierten ihren Rede- und Schreibfluß als vortezistische Strudel. Fluxus-Künstler der sechziger Jahre organisierten Treibgut der Wort- und Bildkommunikation zu kleinen Materialhaufen, wie sie in strudelnden Flüssen beobachtet werden können. Sie alle glaubten nicht, daß man aus dem Strom aussteigen könnte, ans sichere Ufer der Dauer von Werken und Taten. Sie mußten die Konzepte geschlossener Werkeinheiten, die dem kontinuierlichen Wandel entzogen werden könnten, aufgeben. Nur zeitweilig läßt sich in den Treibgutanhäufungen herumstochern, um zu sehen, was der Strom des Lebens mit sich führt; indem man nachschaut, löst sich die zusammengestrudelte Assemblage auf, um im nächsten Strudel eine andere Konstellation des Treibguts zu bilden. Der Fluxeumsgründer und Shopartikelproduzent Michael Berger (Harlekin) organisiert nach dem Beispiel von Fluxuskünstlern Warenströme, die er durch seine Sammlungsräume lenkt, um so aus ihnen zusammengestrudelte Werkteile abzuschöpfen. Sie gibt er als Fluxusobjekte zweiter Ordnung in die reissende Alltagskommun...
Fetisch
Ein Glanz auf der Nase, Stiefeletten, ein Muttermal auf der Schulter, Stöckelschuhe, Satinunterwäsche, Latex, Lackmäntel usw. usw... Wenn eine bestimmte Eigenschaft am Sexualobjekt oder die Anwesenheit eines bestimmtem Gegenstands die unabdingbare und meist zureichende Bedingung ist, damit der Geschlechtsakt vollzogen werden kann, so hat dieses Ding die magische Macht eines Fetischs und wird wie ein solcher gehegt und verehrt. Freuds Patient, dessen aus ersten Kinderzeiten stammender Fetisch ein `Glanz auf der Nase' war, hatte in seiner Kindheit englisch gesprochen, und so erwies sich der Glanz eigentlich als ein `Blick auf die Nase' (glance). Er wollte schlicht die Nase sehen, aber eine mit einer ganz besonderen Eigenschaft ausgestatteten. Die Nase steht (auch im populären Verständnis) für den Penis wie nach Freuds Behauptung jeder Fetisch, doch das Besondere an diesem hochbedeutsamen Gegenstand ist : `der Fetisch ist der Ersatz für den Phallus des Weibes (der Mutter), an den das Knäblein geglaubt hat und auf den es - wir wissen warum - nicht verzichten will' (Fetischismus, 1927) Die Fetische im Sexualleben erfüllen damit die großartige Funktion der Verleugnung eines Wissens um die Penislosigkeit der Frau, das der Kastrationsangst Nahrung gibt. Fetische eignen sich entweder durch ihre Gestalt als Penisersatz - spitze Schuhe, hohe Absätze - oder vertreten die letzten Hüllen oder Formen, die vor der Entblößung des weiblichen Genitales die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben (oft aus der Kinderperspektive von unten), Füße, Strümpfe, Unterwäsche. Pelzwerk usw. Fetische sind zu haben, man kann sie sich besorgen. Vielleicht kauft man sie im Museumsshop, um sich vor der traumatischen Beg...
Fake
(Fake, Fälschung, Täuschung) Richtig verstandene Aufklärung kann sich nicht einbilden, Menschen von ihren Vorurteilen zu befreien. Sie zielt darauf ab, uns Einsicht in unsere Abhängigkeit zu ermöglichen - Abhängigkeit von Bedingungen des Lebendigseins, über die wir nicht freverfügen können. Das Ensemble dieser Abhängigkeiten beschreibt man als die Natur des Menschen. Dieser Natur auf die Sprünge zu kommen, experimentierten Künstler und Wissenschaftler mit mutwilligen Täuschungen, deren Ziel es war, aufzuklären, welchen Täuschungen wir unterliegen: zum Beispiel optischen Täuschungen, gedanklichen Täuschungen in Formen des Bildermimikrys oder der Begriffsschauspiele. Niederländische Maler des 17.Jahrhunderts entwickelten die Gattung der Trompe l'oeuils (Augentäuschungsbilder) zur Perfektion, die immer zugleich dem Betrachter die Täuschung und das Durchschauen des Getäuschtwerdens zu erkennen und zu genießen erlaubten. Aufklärung über unsere Vorurteile ist also immer zugleich als Demonstration der Täuschung und erkenntnisstiftender Enttäuschung angelegt; deswegen ist man sehr häufig enttäuscht über das, was banalerweise herauskommt, wenn man Täuschungen durchschaut. Am Beispiel der Lüge, als vorherrschender Form unumgänglicher Täuschung, läßt sich das klarmachen: Wenn es auch nicht wahr ist, so ist es gut gelogen, so weit sich die Lüge als Lüge zu erkennen gibt. Zu lügen ist die einzige Möglichkeit, die Unterscheidbarkeit von wahr und unwahr aufrechtzuerhalten. Wer bewußt lügt, gibt damit dem aufklärerischen Impuls nach, die Unterscheidung von wahr und falsch in sein Kalkül zu nehmen. Das wird den Lügnern als Fälschern nicht zugestanden; sie gelten als gefährlich, weil sie Unterscheidung von Or...
Ersatz
Wenn das Echte, das Eigentliche, nicht oder nur schwer zu haben ist und man trotzdem nicht darauf verzichten möchte oder kann, wird nach einem Ersatz gesucht. Angewandt auf alltägliche Genußmittel (z.B. Kaffeersatz) hat das deutsche Wort in der Nachkriegszeit einen zwiespältigen internationalen Rang erworben. Der Umgang mit Ersatz kann so pfiffig wie naiv oder resigniert bescheiden sein. Wer fertig angebotenen Ersatz akzeptiert, begnügt sich, wer sich Ersatz schafft, begnügt sich gerade nicht. Die Suche nach Ersatz macht erfinderisch. Wer nicht die Mittel dazu hat, teure Kunstgegenstände zu sammeln, kann eine witzige Sammlung von Museumsshopsobjekten nach eigens erfundenen Gesichtspunkten zusammenbringen. Dabewird ihm das `Echte, Eigentliche' mit der Zeit herzlich gleichgültig werden, der Ersatz wird ihm seine `eigentliche' Lustquelle sein. So erweist sich, wie bereits sprachlich zu erkennen, das `Ersatz Schaffen' als schöpferische Tätigkeit und hat grundsätzlich mit Kunst zu tun (es heißt ja Kunstleder und Kunstseide). Was sind schließlich Metapher und Symbol, ohne die keine Kunst auskommt, anderes als Ersatz für das `Eigentliche'? BeFontane behauptet jemand an einem Herrenabend bePrinz Louis Ferdinand (in Schach von Wuthenow):' Die Surrogate bedeuten überhaupt alles im Leben und sind recht eigentlich die letzte Weisheitsessenz'. Und der Prinz meint dazu: `Es muß sehr gut mit Ihnen stehn(...),.daß Sie sich zu solchen Ungeheuerlichkeiten offen bekennen können.' Jutta Prasse
Erinnerungssymbole
Unsere hysterisch Kranken leiden an Reminiszenzen. Ihre Symptome sind Reste und Erinnerungssymbole für gewisse (traumatische) Erlebnisse. ... Auch die Denkmäler und Monumente, mit denen wir unsere großen Städte zieren, sind solche Erinnerungssymbole ... Diese Monumente sind also Erinnerungssymbole wie die hysterischen Symptome. Sigmund Freud
erinnern
Erinnern - so legen Forschungsergebnisse nahe - ist eine stets in der Gegenwart ablaufende kognitive Operation. Sie holt nicht etwa Erinnerungen wie Funde aus dem Schatzhaus oder der Brunnenkammer des Gedächtnisses herauf, sondern arbeitet als ein besonderer Typ von Wahrnehmen: nämlich als ein Wiedererkennen ohne Anschauungsobjekt (so G. Rusch). Indem im Erinnern eine historisch entstandene neuronale Konnektivität aus aktuell gegebenem Anlaß aktiviert wird, produzieren wir erinnernd Vergangenheiten. Diese Sinnproduktion hat wenig zu tun mit Informationsabruf aus Datenspeichern, aber sie hat sehr viel gemein mit gestaltendem, Kohärzenz stiftenden Erzählen. S. J. Schmidt
Duchamp
(Duchamp, Marcel) siehe auchKunstwerk
Erbe
(Erbe, kulturelles) Die Geschichte der Bildung des kulturellen Erbes ist bedingt durch eine Folge von Brüchen: Änderungen kollektiver Glaubenshaltungen, Lebensarten, technischer Umwälzungen, Propagierung neuer Lebensstile, die die alten ersetzen. Jeder Bruch enthebt bestimmte Klassen von Artefakten ihrer Funktion und verursacht ihre Herabsetzung zu Abfallprodukten, zu Aufgegebenem und Vergessenem. So geschehen nach der Christianisierung des römischen Imperiums, nach der Invasion der Barbaren, nach jeder industriellen und fast jeder politischen Revolution. Krysztof Pomian: Museum und kulturelles Erbe, in: Korff Gottfried/Roth Martin (Hrsg.): Das historische Museum. Labor, Schaubühne, Identitätsfabrik. Frankfurt, New York 1990, S.41-64.
Dorner
(Dorner, Alexander) siehe auch Museum, lebendes
Disneyland
siehe auch Hyperrealität
Ding; Dingwelt
Die fremdesten Dinge kommen durch Einen Ort, Eine Zeit, Eine seltsame Ähnlichkeit, einen Irrthum, irgend einen Zufall zusammen. So entstehn wunderliche Einheiten und eigenthümliche Verknüpfungen - und Eins erinnert an alles - wird das Zeichen Vieler und wird selbst von vielen bezeichnet und herbeygerufen. Novalis: Schriften, hrsg. v. Peter Kluckhorn und Richard Samuel, 2. Auflage in vier Bd., Stuttgart 1968, S.650. Zit.n. Martin Zeiller: Joseph Beuys: Wirtschaftswerte (1980), in: Gerhard Theewen: Exhibition Praesentation. Köln 1996, S.11